Ganz so einfach ist das nicht.
Erstens: die Grenzen sind nicht zu. Nach Österreich zum Beispiel dürfen Staatsbürger nach wie vor einreisen, egal, ob sie aus schwerstens infizierten Zonen kommen oder nicht; gleiches gilt für so gut wie alle anderen Länder. Selbstüberwachte Heimquarantäne...wie zuverlässig mag die sein? Glaubst du, daß sich jeder eisern daran hält und daß die Ausbünde an Idiotie, die sich Coronaparties nennen, jetzt vorbei sind? Auch Lastwagen fahren nach wie vor über die Grenzen; Züge fahren planmäßig von Wien nach München usw. Und daß Pendler nach wie vor die Grenzen überqueren dürfen, spricht auch eher gegen ihre Schließung. Es gehen sogar einzelne Flüge z. B. in den letzten Tagen nach Timisoara, Sofia und Tirana und bringen von da Pflegekräfte nach Österreich; die werden dann 14 Tage quarantänisiert, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen können. Die Rückholungsflüge der AUA aus Santiago de Chile, Lagos, Sydney usw. - glaubst du, daß die nur Österreicher mitnehmen? Die sind europaweit koordiniert und haben sogar ukrainische Staatsbürger dabei...
Wenn die Grenzen tatsächlich geschlossen wären, wäre das Problem auch in Österreich nochmal potenziert und man würde sich noch zahlreiche andere dazu eintreten. Denke nicht nur an die Pflege, frage auch einmal, wer denn das reife Gemüse von den Feldern holt.
Was brächte es auch, die Grenzen komplett zu schließen? Wenn sowohl der Zuschauerraum als auch die Bühne schon brennen, ist es sinnlos, den Eisernen Vorhang im Theater runterzulassen, oder? Es ist ein Virus, und dem sind die Grenzen zwischen Salzburg und Oberösterreich genauso wurscht wie die Grenzen zwischen Österreich und Deutschland. Glaubst du dem Genossen Kim, wenn er behauptet, daß in seinem eingemauerten Nordkorea noch kein Fall aufgetreten sei?
Und: Wenn in einem Land noch ausreichend Kapazitäten im Gesundheitssystem frei sind, ist es aus mehreren Gründen vernünftig, Solidarität zu zeigen und einige Kranke zu übernehmen. Erstens ist das ein Gebot der Menschlichkeit. Zweitens erlaubt es den Ärzten in dem Land, schon einmal Erfahrungen mit Beatmungsgeräten zu sammeln, den Verlauf der Krankheit zu studieren und für sich selbst zu lernen, bevor es im eigenen Land richtig hochkocht. Man kann sehr genau berechnen, wie die Epidemie sich ausbreitet und weiß, wie viele Wochen oder Tage man noch Zeit hat, bis man alle seine eigenen Kapazitäten selbst braucht. Deutschland und auch Österreich haben aus diesem Grund Erkrankte aus Frankreich und auch Italien in ihre Kliniken geholt und behandeln sie da - vor ein paar Tagen ist zum Beispiel ein Flug in Salzburg gelandet.
Es findet im Hintergrund SEHR viel europäische Solidarität statt, die aber nicht an die große Glocke gehängt wird. Gemeinsame Bestellungen von Beatmungsgeräten, die erwähnte Koordinierung von freien Krankenhauskapazitäten und Rückholern sind zum Vorteil aller; das Schließen der Grenzen ohne Sinn und Verstand würde nur Schaden anrichten.
Gut und ebenso wichtig ist natürlich, sich auch im kleinen Kreis zu gegenseitig helfen und nicht darauf zu vertrauen, daß alles von anderswo organisiert wird. Daß sich Nachbarn gegenseitig aushelfen oder sogar Schüler wie Lenzn diese Hilfe größer aufziehen, ist um nichts weniger bedeutend als die erwähnten großräumigen, grenzüberschreitenden Maßnahmen und verdient großen Respekt.